Gemeinde Chiemsee beschäftigt sich erneut mit umstrittenem Grabstein
Es beschäftigt die Bewohner der Gemeinde Chiemsee seit Jahren ohne ein Ergebnis: Das Grabmal / Kenotaph der Familie Jodl auf der Fraueninsel.
Alfred Jodl war Chef des OKH (Oberkommando des Heeres) während der nationalsozialistischen Gewaltdiktatur und wurde deshalb in Nürnberg beim Hauptkriegsverbrecherprozess von den vier Alliierten angeklagt, zum Tode verurteilt und am 16.10.1946 gehenkt. Auf Anweisung der vier Alliierten wurde daraufhin der Leichnam verbrannt und die Asche in der Isar verstreut. Die Alliierten wollten auf gar keinen Fall, dass es in Deutschland Stätten gibt, wo Anhänger des NS-Staates Gedenkveranstaltungen durchführen können. Die Hauptkriegsverbrecher (12 waren in Nürnberg zum Tode verurteilt worden) sollten ein für allemal auch im Gedächtnis der Deutschen als Verbrecher behandelt werden. Darüber hinaus untersagte die Alliierte Kontrollratsdirektive Nr. 30 vom 13. Mai 1946 ausdrücklich die Errichtung, Aufstellung oder Zurschaustellung von Gedenksteinen, „die darauf abzielen, die deutsche militärische Tradition zu bewahren und lebendig zu erhalten.“
Auf dem Friedhof der Fraueninsel, wo mehrere bekannte Chiemseekünstler beerdigt sind und auch z.B. Angehörige der Familie von Eichendorff, gibt es nun allerdings eine Grabstätte der Familie Jodl. Bis vor drei Jahren konnte man dort auf dem Grabstein die Namen von drei Personen deutlich erkennen, unter ihnen den Namen eines der von den Alliierten als Hauptkriegsverbrecher verurteilten Alfred Jodl.
Gegen diesen Tatbestand zog der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner zu Felde. Er bekämpfte mit seinen Aktionen wiederholt den Versuch, ein Gedenken für den Kriegsverbrecher zu ermöglichen. 2015 hatte Kastner das Steinkreuz auf dem Friedhof der Fraueninsel mit einer Hinweistafel versehen, auf der „Keine Ehre dem Kriegsverbrecher“ zu lesen war. 2016 brachte er mehrfach rote Farbe an und wollte damit das Blut symbolisieren, das im Namen von Alfred Jodl vergossen wurde. Schließlich entfernte er das „J“ des Namens Jodl, sodass nur noch die Inschrift „odl“ zu erkennen war. Das „J“ hatte er an das Deutsche Historische Museum in Berlin geschickt.
Heute existiert noch das Grabmal, die Familie hatte es 2018 für weitere 20 Jahre gekauft, der Name von Alfred Jodl ist aber nicht mehr zu erkennen. Eine große Grabplatte, die den Namen von Alfred Jodl verdeckt, ist auf dem Grabstein fixiert worden. Außerdem steht eine Thuja direkt vor dem Grabkreuz.
2018 wollte die Gemeinde das Grabmal auflösen, ein Neffe von Alfred Jodl als verantwortlicher Hinterbliebener klagte jedoch dagegen. Die Gemeinde Chiemsee hatte diese Kündigung mit Platzmangel auf dem Friedhof begründet. Das Verwaltungsgericht München hat jedoch festgestellt, dass es keinen Platzmangel gebe und die Kündigung für rechtswidrig erachtet.
Kastners Aktionen am Steinkreuz wurden vom Landgericht München als Sachbeschädigung gewertet. Kastner wurde verurteilt, die Reinigungskosten zu bezahlen. Die von Kastner daraufhin eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vonm Bundesverfassungsgericht nicht angenommen.
In seiner gestrigen Sitzung hat nunmehr der Gemeinderat der Gemeinde Chiemsee mitgeteilt, dass man im Gespräch mit dem Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Jörg Skriebeleit, sei. Die Gemeinde wolle eine Infomationstafel auf dem Friedhof anbringen, in dem sowohl das Andenken an die Chiemsee-Künstler aufgezeigt werden könne, als auch auf Alfred Jodl eingegangen werden soll.
Bürgermeister Armin Krämmer teilte den Gemeinderäten darüber hinaus mit, dass gegen die Gemeinde eine Strafanzeige eingegangen sei. Den Inhalt der Strafanzeige und den Urheber nannte Krämmer nicht. Es steht also zu erwarten, dass die kleinste Gemeinde Bayerns, die Gemeinde Chiemsee, wegen Alfred Jodl nicht zur Ruhe kommen dürfte. Dabei wünschen sich Mitglieder des Gemeinderats das ausdrücklich, wie zu hören war.
Auf dem Steinkreuz ist heute der Name Alfred Jodl durch eine Grabplatte abgedeckt, sodass dessen Name nicht mehr erkennbar ist.
Steinkreuz auf der Fraueninsel 2014
Grabplatte heute